Wer Marius Zollet auf der BEA antreffenmöchte, hat es nicht leicht. Zwar ist der Präsident des Vereins “Burgdorfer Pferd” von früh bis spät auf der Messe, allerdings auch überall gefragt. Mit dem Hengst Sambo, den Zuchtstuten Aurora, Fabienne und Fiona sowie der leichtfüssigen Florida, macht die Rasse in den Publikumsschauen auf sich aufmerksam. Da gibt es vorher und nachher viel zu tun und zu besprechen.

Gut, dass der halbe Verein mitsamt der Familie am Stand steht und weiss, wann mit Marius Zollet wieder zu rechnen ist. Um 16 Uhr ist Zeit für ein Gespräch. Und ein Glas Wein. “Wir brauchen wieder Pferde, die ruhig und klar im Kopf sind”, erklärt er seine Motivation, die Zucht der Burgdorfer zu fördern. “Schauen Sie sich unsere Pferde hier an. Die machen ihren Job und keine Probleme.”

Tatsächlich bieten die Vorstellungen der verschiedenen Aussteller in der grossen Halle eine gute Möglichkeit zum direkten Vergleich. Während der ein oder andere Rassevertreter sich aufgebracht in der Senkrechten präsentiert, gehen Aurora und Co. gelassen vor der Kutsche und dem Holzwagen oder präsentieren sich in schöner Anlehnung auf dem Zirkel. Nur Sambo muss hin und wieder verkünden, dass er auf der Messe eingetroffen ist. Das ist ok. Es ist der erste Tag.

Zollet kennt sich mit Strukturen und dem Aufbau von Interessengemeinschaften aus. Er war lange Jahre Gemeindepräsident der Gemeinde Affoltern und Präsident des Pony-Verbands Oberaargau-Emmental. Seiner Region, der Landwirtschaft und der Pferdezucht ist er eng verbunden. Alsder Verein “Burgdorfer Pferd” 2008 ins Leben gerufen wurde, dauerte es nichtlange, bis er in den Fokus von Gründer und Zuchtpräsident Jürg Schenk rückte.“Es hat harmoniert und ich wurde Teil dieses schönen Vorhabens,” erzählt Zollet, der damals selbst eine Freiberger Stute vom alten Schlag besass.

Der Neuanfang
Bald 50 Jahre galten die Burgdorfer zu diesem Zeitpunkt als ausgestorben. In der Land- und Forstwirtschaft gab es längst maschinelle Methoden, die Kutsche war zur Rarität geworden. Im ländlichen Freizeit- und Turniersport dominierten die inzwischen leichter gezogenen Freiberger. Zuchtbücher und alte Dokumente gab es zum Glück noch – auf der Burgdorferweide in Saignelégier. Auf dieser Basis konnte man ansetzen: 550 bis 850 Kilogramm sollte der Burgdorfer schwer sein, bei einem Stockmass von 150 bis 168 Zentimetern mit einem leichten, keilförmigen Kopf und einer geschlossenen Nierenpartie. Die Farben: mehrheitlich braun mit dunklem Behang, aber auch Braun-, Rot-und Rappschimmel zählen zu den typischen Rassevertretern. In puncto Bewegung zählt ein guter Schritt mit deutlichem Übertritt und ein taktreiner Trab.

Burgdorfer sind die Ruhe selbst
Die ersten Versuche einer Anpaarung waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt. „Das Exterieur hat gestimmt, aber charakterlich kamen die Fohlen nicht so raus, wie wir uns das gewünscht haben“, erinnert sich Zollet. Erst mit Ardenner Hengsten aus der „de la Mess“-Linie kam man dem Idealtypus des Burgdorfer Pferdes näher. Nachwuchs Napoleon, ein knapp einjähriger Hengst aus der Aurora vom Zelgmoos und dem Luxemburger Nationalchampion Emir de l`Havigne, ist ein Vorzeigevertreter seiner Art: ruhig und umgänglich, ein idealer Freizeitpartner mit einem angeborenen Talent für das Holzrücken, Fahren, das Geschicklichkeits- oder Therapiereiten.

Rein äusserlich fällt bei Napoleon der dezente Behang auf. Warum ist das ungewöhnlich? Auch das Ardenner Pferd, wie der Burgdorfer ein klassisches Arbeitspferd, brauchte eine neue Existenzberechtigung. So züchtete man kurzerhand auf einen spektakulären Behang hin. Ein Showeffekt, der vor dem Pflug jedoch nur hinderlich ist und bei den neuen Burgdorfern nicht gewünscht ist. Doch obwohl die Zuchtergebnisse stimmen und die Burgdorfer Rasse immer mehr Fans gewinnt, ist es nicht leicht, sachkundige Abnehmer für die Nachzucht zu finden. “Der Markt für Pferde ist im Allgemeinen schwierig,“ erklärt Zollet, “es gibt ein Überangebot und die Preise sind seit Corona im Keller.“
Zuchterfolge für den Verein „BurgdorferPferd“
Davon lassen sich die engagierten Vereinsmitglieder jedoch nicht beirren. 20 Züchter und rund 50 aktive Mitglieder zählt der Verein inzwischen. Richterkurse, Fohlen- und Hengstschauen sowie die Agri-Messe stehen bereits im Kalender. Ein grosses Ziel wurde vor drei Jahren erreicht. Erstmals war es möglich, Burgdorfer Stuten mit Burgdorfer Hengsten zu decken. Darauf ist Zollet besonders stolz ist. Der lautstarke Sambo der Züchterfamilie Rebecca und Werner Bachmann aus Ersingen ist einer von ihnen, ebenso der fünfjährige Florian von Peter Wittwer aus Bollingen. Auf der weiblichen Seite ist Ombra von Andreas Giger aus Balgach hervorzuheben, der das Prädikat Elitezuchtstute zuteilwurde.

Ziel ist es jedoch nicht, möglichst viele Burgdorfer zu züchten oder den prominenteren Freibergern Konkurrenz zu machen.Es geht schlicht darum, dass die Burgdorfer das ein oder andere neue Menschenherz erobern und nicht erneut von der Bildfläche verschwinden. Grund zur Hoffnung gibt es: Marius Zollets`Aurora wird auch in diesem Jahr wieder Mama.