Das Glück hätte viel näher liegen können. Zum Beispiel in der Toskana oder Südfrankreich, will man der Logik eines Lebenslaufs folgen. Als diplomierte Schweizer Weinsommelière und Marketingfachfrau ist Nicole Siegrist beruflich angekommen. Doch da ist eine alte Sehnsucht, ein Kindheitstraum, der sie nicht loslässt. Sie beschliesst, ihm zu folgen.
Sueño Argentino – der argentinische Traum
17 Flugstunden von der Schweiz und zehn Fahrstunden von Buenos Aires entfernt begegnet ihr 2017 zum ersten Mal das Leben, das ihrer Sehnsucht am nächsten kommt: In der Provinz Corrientes, an den mächtigen Strömen des Río Paraná führen die argentinischen Gauchos ein Dasein, das sich widerständig zeigt, wenn es um scheinbar notwendige Updates geht.
An das erste Zusammentreffen erinnert sich Nicole bis heute: “Mit ihren weit geschnittenen Hosen, den Bombachas und Boinas – den typischen Kopfbedeckungen aus Wolle oder Filz, die an die französischen Baskenmützen erinnern – wirkten sie auf mich wie aus einer anderen Welt.” Einer Welt, die ihr auf Anhieb gefällt – echt, lebendig und tief mit dem Land verbunden.
Ein einfaches und echtes Leben
Ein Leben jenseits von Planung und Komfort, roh, improvisiert und entbehrungsreich, verhiess auch die Aussicht auf Freiheit. “Das tiefe Bedürfnis, gemeinsam mit den Gauchos in dieser Abgeschiedenheit zu leben und Rinder zu treiben, entwickelte sich beinahe sofort", erinnert sich Nicole. Und so kehrte sie immer wieder zurück. In die weite Pampa, in die Lehmhütten ohne fliessendes Wasser. Dorthin, wo Hühner und Schweine im Vorgarten scharren, wo der Tag mit einer heissen Tasse Mate am Feuer endet – nach stundenlanger Arbeit bei Sonne, Wind und Wetter. Reiten? Spanisch?
Viel hatte Nicole damals nicht im Gepäck. Keine Reitstunden als Kind, kein Schulspanisch. In den Bergen der Zentralschweiz aufgewachsen, war sie eher mit Wanderschuhen als im Sattel unterwegs. Doch die Kommunikation mit den Einheimischen und den genügsamen Criollo-Pferden funktionierte auch ohne schulmeisterliche Ausbildung. Dennoch beschloss sie, alles zu lernen, was ihr helfen könnte, Menschen und Tiere an ihrem Lieblingsort besser zu verstehen. Schon bald entwickelte sich der tiefe Wunsch, die Lebensweise und Kultur der Gauchos auch anderen zugänglich zu machen.“Dennoch hatte ich am Anfang Hemmungen, meine Begeisterung mit anderen zu teilen, aus Angst, es könnte meinen Begleitenden nicht gefallen”, gibt sie zu.
Persönlich geführte Reiterreisen in Argentinien
Doch das Gegenteil sollte der Fall sein. Erst zeigt sich ihre 11-jährige Tochter begeistert von Land, Pferden und Leuten, später ihre Freundin und erste zahlende Kundin. Heute, wenn in der Schweiz der Winter Einzug hält, lebt Nicole ihren Traum in der argentinischen Sommerhitze – und teilt ihn mit Pferdefreunden aus dem deutschsprachigen Raum. Ihr Angebot ist so persönlich wie ihre Geschichte und für erfahrene Reiter wie ungeübte und sogar Nichtreiter geeignet.
Denn die mittelgrossen argentinischen Criollos sind echte Verlasspferde, nervenstark und trittsicher. Die Auswahl ist gross, der Ausbildungsstandard hoch. So findet jeder genau das Pferd, mit dem er sich wohl und sicher fühlt. Allein eine gute Grundkondition und Wetterfestigkeit sind Voraussetzung für alle, die sich auf längere Tagestouren begeben möchten.
Corrientes – Reiten und Rinder treiben wie ein Gaucho
Hier schwingen alle das Lasso oder helfen beim Impfen der Jungrinder. Mit ihrem argentinischen Geschäftspartner aus Equina, der Hochburg der argentinischen Rinderzucht, pflegt Nicole eine langkährige Freundschaft. So haben ihre Gäste die Möglichkeit, in das echte Gaucho (Arbeits-)Leben einzutauchen.
Wer es lieber gemütlich angeht, macht kürzere Reittouren, entspannt in der Hängematte oder angelt am nahe gelegenen Rio Corrientes nach Pirañas (!). Das Leben der Gauchos richtet sich nach der Natur. Übernachtet wird deshalb je nach Tagesprogramm in den Unterkünften der Gauchos oder auf verschiedenen Estancias mit traumhaftem Blick auf den Rio Corrientes oder die Lagunen.
Wanderritte in Salta und den Anden
Salta ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Nordwesten Argentiniens und Ausgangspunkt für die Erkundung des Valle Calchaquies. Das Tal ist für seine Felsformationen bekannt, die je nach Sonnenstand in unterschiedlichen Pastelltönen schimmern. Die fünftägigen Tour führt über einen Hochgebirgspass entlang einer ehemaligen Handelsroute der Inkas, deren Traditionen bis heute lebendig sind.
In den Anden, in der Provinz Mendoza, können Nicoles Mitreitenden in das Leben der indigenen Mapuche Community eintauchen, für die das Pferd bis heute das Haupttransportmittel ist. Das gibt diesem Ritt den Real-Feel, den manche Hobby- und Freizeitreitenden zuhause vermissen. Mit nach Hause nehmen alle die unvergesslichen Abende unter dem Sternenhimmel, die kein Mobilfunk-Anruf stört und die Ansicht der Condore, die majästetisch durch die Täler gleiten.





















