Der kleine Silente weiss kaum etwas von den glücklichen Lebensbedingungen, in die er Anfang Juni hineingeboren wurde. Etwas schüchtern steht er hinter seine Mutter Snow, so dass man ihn nur schwer bewundern kann: die blauen Augen, das kräftige Exterieur und sein schimmernd-weiches Cremello-Fell. Neben dem Mutter-Sohn-Gespann steht Vater Nadir. Eine Box weiter: die zweite Mutterstute Suriah, die in wenigen Tage ihre kleine Tochter Silver Blossom Nevada zur Welt bringen wird. Und wieder nebenan – ihr zweijähriger Sohn. Der wurde allein wegen der bevorstehenden Geburt von seiner Mutter getrennt, zumindest vom Widerrist abwärts, denn Gitterstäbe findet man hier nirgends. „Normalerweise stehen auch diese beiden zusammen in einer offenen Box mit Auslauf“, erklärt Gestütsgründerin Pamela Cellini. Weitere Verwandte und Halbgeschwister geniessen den Nachmittag auf weitläufigen Koppeln.

Aufzucht in der eigenen Pferdefamilie
Ein Leben in der eigenen Pferdefamilie ist ein wichtiger Teil der Zuchtphilosophie von Silver Blossom Arabians. Auch der kleine Silente wird nicht wie sonst üblich nach rund acht Monaten abgesetzt werden. „Wir fördern die Bindung zwischen unseren Pferden und haben so ein harmonisches Herdengefüge, in dem es keine Rangeleien gibt“, erklärt Pamela. Für sie, die von Kindesbeinen an von Arabern fasziniert ist, gehört auch das Studium des Verhaltens der Pferde in der Herde zu ihren Lieblingsaufgaben als Züchterin. Denn unter harmonischen Aufzuchtbedingungen entfalten sich die genetischen Vorzüge dieser Rasse ideal.
Arabische Pferde aus Reitpferde-Linien
Die Ursprünge des Arabischen Vollbluts gehen auf Pferde aus dem Nahen und Mittleren Osten zurück, den so genannten Original-Zuchtgebieten. Der Vollblutaraber oder das arabische Vollblut (AV) ist die rein gezogene Form des Arabischen Pferdes: edel, hart und genügsam, mit einer ausgeprägten Menschenbezogenheit, Nervenstärke und Leistungsbereitschaft. Eigenschaften, die Suriah Sabah mitbringt und weitervererbt. Die Rappstute entstammt aus überwiegend ägyptischen Linien. Sie ist unter anderem Mutter von Silverblossom Zeus, der heute als Vollblutaraber Hengst zum Verkauf steht. Auch die Arabisch Partbred oder Partbred Araber, die aus dem Gestüt stammen, haben einen Vollblutaraber-Anteil von über 80 Prozent und teilen deren typischen Rassemerkmale.

Jedoch gibt es einen Unterschied, der ins Auge fällt: ihre speziellen Fellfarben. Tatsächlich kommen bei Vollblutarabern (AV) nur die drei Grundfarben Fuchs, Braun und Schwarz sowie die Schimmelfarbe vor. Ist jedoch ein sogenanntes Verdünnungs- oder Modifikationsgen am Werk, verändern sich die Grundfarben. So macht das Creme-Gen aus einem Fuchs einen Palomino oder Cremello. Das Silver-Gen erzeugt bei schwarzen Pferden silbernes Langhaar. Um diese besonderen Farbgene hervorzubringen, wird das arabische Vollblut mit anderen Rassen gekreuzt, ohne den Arabischen Typ und dessen Rasseeigenschaften zu verwässern.
Liebling und Leistungsträger Nadir ibn Nafida
Arabisch Partbred Nadir, offiziell Nadir ibn Nafida, hat einen Vollblutanteil von 88.8 v.H.. Als einziger offiziell aktiver Palomino-Araberzuchthengst der Schweiz vereint er eine besondere Farbe mit hohem arabischem Adel und nachgewiesener Leistungsfähigkeit. So geht er im Jahr 2020 als Sieger seiner Klasse durch die Hengstleistungsprüfung des Schweizer Zuchtverbandes. 2022 wird er vom deutschen Araberzuchtverband VZAP e.V. als Prämienhengst gekört. Auch die deutsche Hengstleistungsprüfung, die unter anderem Prüfungen in Dressur und Springen sowie einen Fremdreitertest beinhaltet, absolviert er souverän.
Auf dem internationalen All Nations Cup Araberturnier in Aachen kann sich wenig später auch ein grosses Publikum von Nadirs Coolness in der Dressur und am Sprung überzeugen. Dank dieser Präsenz ist der Schweizer, der mütterlicherseits auf die Vollblutaraber Stute Murana I (geb. 1808) und damit auf die älteste deutsche Stutenlinie zurückgeht, inzwischen auch europaweit im Deckeinsatz. In Deutschland besteht eine Kooperation mit dem Vollblutaraber Gestüt HA Arabians in Sachsen-Anhalt. Nadir steht über Tiefgefriersperma zur Verfügung. Zuhause deckt Nadir auf Anfrage auch im Natursprung an der Hand. Dabei ist er auch als Träger des Cremello-Gens gefragt, dessen Kultivierung eine schöne Spezialisierung des Gestüts ist.
Loyale Partner für Freizeit und Sport
“Unser Ziel ist es, korrekte, loyale Partnerfür Freizeit und Sport zu züchten, die nach dem Natural Horsemanship aufgezogen werden und ein langes gesundes Pferdeleben vor sich haben“, sagt Pamela. Diese Qualitäten können ihre Araber in der gestütseigenen Reit-Academy zeigen, die nach dem Prinzip der Journey of Trust geführt ist und Kinder wie Erwachsene anspricht, speziell Wiedereinsteiger. Bei diesem Ansatz geht es darum, ein tiefes Vertrauen zwischen Mensch und Pferd entstehen zu lassen, das ohne Druck aufgebaut wird. „Manche unserer Schüler erstaunt es, dass wir nach wenigen Stunden im Roundpen schon ins Gelände gehen. Der beste Beweis dafür, wie vertrauenswürdig unsere Pferde sind.“ Geblähte Nüstern, aufgerissene Augen und überzogene Bewegungen, wie man sie immer noch auf Araber Shows sieht, kennt diese Zucht nicht. “Bilder wie diese werfen in der Öffentlichkeit ein ganz falsches Bild auf die arabischen Pferde, dabei haben wir gerade hier Araber, wie sie im Buche stehen.“
Vertrauen als Verkaufskriterium
Ihre Freunde und neuen Besitzer finden die Silver Blossom Arabians in der ganzen Schweiz. Meist über Empfehlung oder durch Züchterkollegen, aber besonders auch über die eigene Reitakademie. “Die Verbindung zwischen Reiter und Pferd, sowie die zukünftigen Haltungsbedingungen, sind für mich das wichtigste Verkaufskriterium”, betont Pam, "und dass es irgendwie funkt."
Genau das geschah mit Sarah Burch-Oostenbrug. Sie kam als Reitschülerin in die Akademie. Begeistert von der Zucht und der pferdefreundlichen Philosophie ist sie als Marketingmanagerin im Gestüt geblieben. In ihrer Funktion hat sie auch das erste Online-Buchungssystem für Reitstunden in der Schweiz eingeführt. So findet eine Jahrtausende alte Rasse auf modernen Wegen zu neuen Freunden.