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Tierschutz & Arterhalt

Reiten und PETA gut finden. Geht das?

Die Tierschutzorganisation PETA setzt sich seit Jahrzehnten für das Wohl von Tieren ein. Auch Pferde haben ihr viel zu verdanken. Doch für viele Reiter ist die Organisation ein rotes Tuch. Ein Annäherungsversuch.

Ihr leistet seit Jahrzehnten wertvolle Arbeit für den Tierschutz, auch für Pferde. Was habt ihr in den vergangenen zehn Jahren für Pferde erreicht?

Die breite Öffentlichkeit erkennt zunehmend, dass Pferde keine Sportgeräte sind, die wir missbrauchen oder ausbeuten dürfen. Das grosse Problem ist, dass der sogenannte Pferdesport ein äusserst lukratives Geschäft ist, an dem festgehalten wird. Doch wir sehen auch positive Veränderungen. So wird der Moderne Fünfkampf ab 2028 ohne Springreiten stattfinden und durch eine tierfreie Sportart ersetzt. Und im Rennsport ändert sich der Einsatz von Peitschen allmählich. Auch die Pferdehaltung verbessert sich. Trotzdem leiden noch immer Tausende Pferde massiv, und wir haben hier noch viel Arbeit vor uns.

Ein Pferd ist nach einem Kutschenunfall zusammengebrochen. PETA prangert das weltweite Leid der Kutschpferde an. © PETA

Viele Reiter fühlen sich von euch ungerecht behandelt und werfen euch Unkenntnis vor. Sie fragen sich, ob ihr Reiter oder ehemalige Reiter beschäftigt.

Ja, einige Mitarbeiter bei PETA haben in ihrer Freizeit auch mit Pferden zu tun. Entscheidend ist der Umgang mit dem Tier, die artgerechte Beschäftigung, die Bindung zwischen Mensch und Pferd und die gemeinsame Zeit.

Dennoch halten euch viele Reiter für radikal. Seid Ihr radikal oder sind Reiter einfach egoistisch und unreflektiert?

Wir setzen uns ohne Wenn und Aber für die Tiere ein und erheben unsere Stimme für alle, die übersehen werden. Reiter handeln leider oft noch sehr unreflektiert und nutzen Pferde für ihre Zwecke. In einer modernen Welt müssen wir unseren Umgang mit Pferden als Partner weiterentwickeln und tiergerecht gestalten.

Ihr habt kürzlich vorgeschlagen, Pferdefiguren auf Karussellen durch Nichtlebewesen zu ersetzen. Diese Anregung stiess auf Unverständnis. Woran liegt das?

Viele Menschen verstehen den Unterschied nicht. Wir sind davon überzeugt, dass Tiere als Karussellfiguren die Vorstellung verstärken, Tiere, die ja fühlende Wesen sind, seien nur zu unserer Unterhaltung da. Und genau dagegen wehren wir uns. Auch wenn keine echten Tiere auf den Karussells leiden, vermittelt es ein bestimmtes Bild von unserem Umgang mit Tieren. Sei es das Reiten auf Elefanten, Kamelen oder eben auch auf Pferden.

In der Pferdehaltung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan. So gibt es inzwischen viele Offenställe. Welche Entwicklungen würdet Ihr loben?

Wir loben Veränderungen, die die Situation von Tieren verbessern. Dazu zählt, dass die Kritik an der Ausbeutung von Tieren lauter wird. Immer mehr Menschen besuchen Pferderennen oder sogenannte Springsportveranstaltungen mit einem mulmigen Gefühl. Das zeigt, dass sich unsere Gesellschaft wandelt. Erwähnenswert ist auch die Unterbringung der Pferde – früher war die Anbindehaltung erlaubt, heute verbreiten sich Offen- und Aktivställe. Diese ermöglichen den Pferden ein artgerechteres Leben in ihrer Herde. 

Gibt es derzeit einen Dialog mit Verbänden, Veranstaltern oder bekannten Reitern? Wenn ja, welche Themen und Ziele verfolgt ihr aktuell? 

Wir kontaktieren regelmässig Sponsoren, die sogenannte Pferderennen unterstützten, und bitten sie, aus dem Sponsoring auszusteigen. Zudem haben wir uns beim Internationalen Olympischen Komitee dafür eingesetzt, das Springreiten aus dem Modernen Fünfkampf zu streichen. Mit unserer Petition fordern wir, den sogenannten Pferdesport komplett aus den Olympischen Spielen auszuschliessen, da Pferde dabei massiv gestresst und oft misshandelt werden. 

Hunde halten wir auch zu unserer Freude. Ist das auch Missbrauch? 

In unserer heutigen Welt leben die meisten Tiere nicht mit uns, sondern für uns – sie werden ausgebeutet, misshandelt und für unsere Zwecke missbraucht. Was die Tiere hierbei empfinden, welche Bedürfnisse und Wünsche sie haben, interessiert viele Menschen nicht. Umso wichtiger ist es, dass wir uns für alle Tiere einsetzen – ob Maus im Labor, Schaf auf der Weide, Hund an der Leine oder Pferd im Stall – und ihre Bedürfnisse ernst nehmen. 

In einem Blogartikel bietet ihr Alternativen zum Reiten an. Wie realistisch ist es, dass Menschen für 1000 + Euro im Monat ein Pferd halten, nur um mit ihm im Wald zu spazieren? Oder anders gefragt: Wenn ihr das Leben der Pferde in Industrienationen frei gestalten könntet, wie sähe das aus?

Es wäre wünschenswert, dass wir uns in einer modernen Welt für die Bedürfnisse unserer tierischen Freunde interessieren und verstehen, dass es falsch ist, sie auszubeuten. Vor diesem Hintergrund stellt sich doch die Frage, warum Menschen Pferde kaufen, die Tausende Euros kosten.Ein schönes Pferdeleben beginnt damit, dass die Pferdemutter nicht zu früh von ihrem Fohlen getrennt wird, dass die Tiere in Familienverbänden leben können und nicht in Boxen eingesperrt und mit fragwürdigen Methoden «ausgebildet» werden. 

Reiter behaupten, dass eine Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd möglich ist. Eine Partnerschaft, die auch das Pferd anregt – durch Pflege, Kontakt und positive Stimulation. Reiter berichten von Pferden, die freudig auf Publikum und Musik reagieren oder sogar Ehrgeiz zeigen. Ist diese Wahrnehmung falsch? Und wenn ja, warum könnt ihr es besser beurteilen?

Vielleicht sollten wir uns fragen: Wenn ein Pferd wählen könnte, würde es lieber den Tag in Ruhe auf der Koppel mit seinen Artgenossen verbringen? Oder würde es sich für ein Turnier entscheiden, wo es stundenlang im Transporter ausharren muss, um dann vor Menschenmassen und Lärm zu laufen? Was würde das Pferd wählen? 

Ein Dressurpferd, aufgenommen von PETA auf einem internationalen Turnier. Die Organisation kritisiert den Spitzensport scharf und fordert unter anderem die Abschaffung der Reitsportdisziplinen bei den Olympischen Spielen. © PETA

Wenn ich euch richtig verstehe, betrachtet ihr den Spitzensport als die missbräuchliste aller Reitweisen. Wie bewertet ihr das hohe Alter mancher ehemaligen Sportpferde, wie das des Olympiaspringpferdes Goldfever, inzwischen über 30 Jahre alt, fröhlich und topfit. Er ist nicht das einzige Beispiel.

Aber wie viele Pferde aus dem Spitzensport dürfen in Ruhe so alt werden? Die meisten landen in der Zucht oder Ähnlichem und werden weiter benutzt. Und wie viele verletzen sich schwer während der Trainings oder im «Sport», stürzen und müssen eingeschläfert werden? So erging es dem dreijährigen Hengst Meerchenprinz, der während eines Rennens stürzte und vor Ort erlöst werden musste. Solche grauenvollen Ereignisse geschehen nicht nur im Rennsport, sondern auch in anderen Reitsportdisziplinen. Das sind keine Unfälle. Dafür sind wir Menschen verantwortlich.

Ein junges Pferd ist bei einem Rennen tödlich verunglückt. Oft enden Pferderennen in schweren Unfällen, bei denen Pferde sich tödlich verletzen oder eingeschläfert werden müssen. © PETA

Suche nach Menschen in unwegsamem Gelände durch Reiterstaffeln, waldschonende Rodungen ohne schweres Gerät, therapeutisches Reiten … Müsste auch dieser «Gebrauch» des Pferdes abgeschafft werden und wenn nötig sogar alternativlos?

Wir als Tierrechtsorganisation setzen uns dafür ein, die Nutzung und den Missbrauch von Pferden grundsätzlich zu beenden.

Sehr viele Reiter engagieren sich für den Tierschutz. Sie kämpfen gegen Massentierhaltung und kümmern sich um Kriegs- und Strassenhunde. Manche retten Pferde vor dem Schlachter, pflegen und genau – reiten – sie. «Nichtreiter» tun dies seltener. Wünscht ihr euch mehr von den einen oder von den anderen?

Jeder, der Tieren in Not hilft, tut etwas Wertvolles. Jede dieser Handlungen ist für dieses Tier wichtig. Wer Tiere rettet oder sich für sie einsetzt, hat eine andere Einstellung und Sensibilität als der, der Tiere missbraucht.

Was dürfen wir von euch in Bezug auf das Wohl der Pferde in Zukunft erwarten? Plant ihr neue Kampagnen und könnt ihr sagen, in welche Richtung sie gehen?

Wir werden uns weiterhin für die Tiere einsetzen und für ihre Rechte kämpfen, ob im sogenannten Spitzensport, auf der Rennbahn oder im Freizeitstall.

Über PETA

PETA Deutschland wurde Ende 1993 gegründet und ist heute die grösste Tierschutzorganisation des Landes. Sie kämpft für die Rechte der Tiere. Weltweit unterstützen über neun Millionen Menschen PETAs Partnerorganisationen. Diese sind in Asien, Australien, Frankreich, Grossbritannien, Indien und den Niederlanden aktiv.